Schulpartnerschaft der KGS mit der Deutschen Schule Hurlingham, Provinz Buenos Aires, Argentinien
Die seit dem Jahr 2015 bestehende Schulpartnerschaft konnte nach einer fast dreijährigen pandemiebedingten Pause wieder aufgenommen werden, so dass am 11. März 2023 Schülerinnen und Schüler unserer Schule nach Hurlingham (Argentinien) fuhren, um dort unsere Partnerschule zu besuchen und gemeinsam an spannenden Projekten zu arbeiten
Die Themen „Sexismus“ und „Diskriminierung“ standen auf der Tagesordnung, Themen, die die deutschen und argentinischen Schülerinnen und Schüler gleichermaßen interessierten. Ein weiteres Thema, das im Laufe der deutsch-argentinischen Kooperation bearbeitet wurde, war das Thema „Biodiversität“, das unseren Schülerinnen und Schülern einen Einblick in die einzigartige Flora und Fauna Argentiniens bot.
Wie in den Jahren vor der Pandemie wurde dieser Austausch dankenswerterweise wieder durch ENSA (Engagement Global/BMZ) finanziell gefördert und somit eine Fortsetzung dieser gewinnbringenden Kooperation zwischen beiden Schulen ermöglicht. Ebenso hatte bei diesem Austausch der Pädagogische Austauschdienst der Kultusministerkonferenz seine Unterstützung für den Gegenbesuch der Partner bereitwillig zugesagt, so dass sich insgesamt 14 Schüler und Schülerinnen aus den Jahrgängen 10, 11 und 12 - begleitet von den Spanischlehrkräften Herr Scheiermann und Frau Sánchez Münninghoff - sich voller Vorfreude auf die lange Reise über Bremen, Frankfurt und Buenos Aires nach Hurlingham machten. Der Austausch fand bei ungewöhnlich hohen Temperaturen statt. Abgereist waren wir bei 1 Grad in Wittmund und kamen in Buenos Aires bei fast 40 Grad an. Alle Personen, mit denen wir im Laufe des Austausches sprachen, bestätigten uns, dass dies der heißeste Sommer seit Beginn der Zeitmessung in Argentinien ist.
Unsere Partnerschule „Deutsche Schule Hurlingham“ ist eine private Schule in Hurlingham (Gründung 1958), einer Kleinstadt ca. 30 Km von der Hauptstadt Buenos Aires gelegen. Die Schule vereint - anders als in Deutschland üblich - Kindergarten, Grundschule und weiterführende Schule unter einem Dach und hat ca. 1050 Schülerinnen und Schüler. Sie ist eine bilinguale Schule, die deutsche Sprache steht bereits in der Grundschule auf dem Stundenplan, wobei die Grundschüler 8 Stunden Deutschunterricht pro Woche bekommen, in der weiterführenden Schule sind es lediglich 6 Stunden, da zudem Englisch als 2. Fremdsprache erlernt wird. Der Komplex der Schule selbst besteht aus mehreren Gebäuden, einem Schulhof und einem angrenzenden Haus im Landhausstil, in der u.a. auch kooperatives Lernen stattfindet und der Ort war, an dem wir gemeinsam an den Projekten „Sexismus“ und „Diskriminierung“ gearbeitet haben. In diesem Gebäude mit einer schönen Veranda und großen Garten war das Lernen mehr als angenehm und wir haben uns sehr gefreut, dort so viele anregende Stunden verbringen zu können.
Das gemeinsame Arbeiten startete am Montag, dem 13.03.23. Wir wurden draußen vor der Schule mit einem liebevoll gestalteten Banner empfangen, das verdeutlichte, wie willkommen wir waren. Die Mitarbeiter und Lehrkräfte der ganzen Schule waren informiert und so wurden wir überall mit einem „Guten Morgen“ herzlich begrüßt. Nach einem gemeinsamen Frühstück mit unseren Austauschpartnern, bei dem es das landestypische Gebäck „media lunas“ und „facturas“ gab, wurden wir von dem Schulleiter empfangen und anschließend durch die Schule geführt. Nach Klärung von Organisatorischem ging es in den Unterricht. Der Nachmittag diente der gemeinsamen Freizeitgestaltung und dem damit verbundenen kulturellen Austausch.
Der nächste Tag war dem Projekt „Diskriminierung“ gewidmet. Wir besuchten das Anne-Frank-Haus in Buenos Aires Stadt und bekamen eine deutsch-spanisch-sprachige Führung durch das Museum, die u.a. Informationen zum Leben der jüdischen Bevölkerung in der Zeit des Nationalsozialismus beinhaltete. Gleichzeitig wurden Parallelen zur Geschichte Argentiniens - zur Zeit der Militärdiktatur (1976-1983) - aufgezeigt, in der es ebenso Diskriminierung und Verfolgung – hier der politisch Andersgesinnten - gab, die deutliche Parallelen (Bücherverbrennung, Verhaftungen in der Nacht; Gefängnis / Arbeitslager; Folter und Tod) zum Vorgehen in der NS-Zeit aufweist. Eine getreue Nachbildung des Verstecks von Anne Frank brachte uns die widrigen Lebensumstände Anna Franks näher und ließ uns innerlich erschaudern.
Nach einer kleinen Pause nahmen alle Schülerinnen und Schüler an einem Workshop zum Thema „Diskriminierung“ teil und arbeiteten in deutsch-argentinisch gemischten Gruppen zu 5 zentralen Begriffen (Identität / Diskriminierung / Gewalt / Partizipation / Gerechtigkeit). In den Gesprächen mit unseren argentinischen Austauschpartnern wurde deutlich, dass die in der jüngeren Geschichte begonnenen Gräueltaten immer noch aufgearbeitet werden und somit sehr präsent in den Köpfen aller sind. Davon zeugt u.a. der „Paseo de la Memoria“, ein Erinnerungspfad, der von der Stadt Hurlingham in Fußnähe der Schule angelegt wurde. Er gedenkt den Opfern der Diktatur, die aus Hurlingham stammten.
Da Hurlingham nur ca. eine Stunde von Buenos Aires entfernt ist, wollten unsere Schülerinnen und Schüler auf jeden Fall eine Weltstadt erleben. Mittwochs morgens nahmen wir den Zug nach Buenos Aires. Nach 50 Minuten Fahrt erreichten wir den Stadtteil Palermo und fuhren von dort mit der U-Bahn Richtung Plaza de Mayo weiter. Auf der Plaza de Mayo tauchten wir nochmals in die Geschichte Argentiniens ein uns schauten uns den Platz an, auf dem die Madres de la Plaza de Mayo schon zu Diktaturzeiten die Gräueltaten des Regimes anprangerten. Anschließend erkundeten wir Buenos Aires zur Fuß, besuchten die Kathedrale, liefen die großen Straßen entlang und tauchten ein ins Großstadtleben. Am Obelisco, der zum 400. Jahrestag der Gründung der Stadt Buenos Aires aufgestellt wurde, machten wir ein obligatorisches Erinnerungsfoto. Anschließend besuchten wir weitere Stadtviertel von Buenos Aires und verbrachten einen schönen Tag voller neuer Impressionen in der Hauptstadt Argentiniens.
Am Folgetag arbeiteten unsere Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den argentinischen Austauschpartnern in einem Planspiel zum Thema „Sexismus sells“. Das Planspiel sah vor, dass unsere Schülerinnen und Schüler in gemischten Gruppen diverse Positionen von Unternehmen, Medien und ONGs einnehmen, um über die Einführung einer gesetzlichen Vorgabe zu debattieren. Verkehrssprachen während der Arbeitsphasen waren Deutsch und Spanisch. Die Aufgabe, die Perspektive von Unternehmen etc. einzunehmen, fanden alle Schülerinnen und Schüler sehr gut, weil sie auf diese Weise lernen mussten, mit der Meinung anderer umzugehen und Toleranz zu zeigen. Das gemeinsame Finden von Lösungen war eine Herausforderung, der sich alle stellten. Am Ende des arbeitsreichen Tages waren alle Parteien zufrieden und stolz auf das Geleistete. Der Folgetag war dem Thema „Diskriminierung“ gewidmet, es wurden Erfahrungen zum Thema ausgetauscht. Deutlich wurde, dass Diskriminierung in vielen Lebensbereichen anzutreffen ist, was die Thematisierung umso wichtiger macht. Ein anschließender Break-Out-Room sorgte für Spaß und Spannung, die Lösung des Rätsels war aufgrund des guten deutsch-argentinischen Zusammenspiels schnell gefunden. Nach einer gemeinsamen Reflexionsphase und dem Abschluss des Projekts wurden Verabredungen für Gruppenaktivitäten am Nachmittag getroffen.
Zum Ende einer spannenden Woche voller neuer Eindrücke, der Teilnahme am Unterricht, dem Kennenlernen des argentinischen Alltags und einigen Poolpartys am Nachmittag verbrachten unsere Schülerinnen und Schüler das Wochenende in ihren Gastfamilien, die sich ein tolles Programm für die beiden Tage überlegt hatten.
Die zweite Woche des Schüleraustausches wurde ebenso zu einer unvergesslichen Zeit. Zu Beginn der Woche besuchten wir das Instituto Nacional de Tecnología Agropecuaria (Nationales Institut für Landtechnik der Provinz Buenos Aires), in dem uns die Arbeit und Forschung des Instituts (nachhaltige Entwicklung des Agrar-, Nahrungsmittel- und Agroindustriellen Sektors / Austausch und Förderung des Wissenstranfers innerhalb Argentiniens) durch sehr engagierte Mitarbeiterinnen vorgestellt wurde. Anschließend gab es eine Führung durch den Botanischen Garten des INTA, der dem Schutz und Erhalt der heimischen Flora Argentiniens dient. Im Gegensatz zu unseren Botanischen Gärten in Deutschland, die teils Pflanzen bescheidener Größe (und dennoch schön) zeigen, bestand der Botanische Garten aus einer Sammlung riesiger Pflanzen und Bäume. Hier waren vor allem Baumarten und Gewächse aus der Chaco-Region im Norden Argentiniens versammelt, die Aufgrund der sich ausdehnenden Landwirtschaft stetig dezimiert werden. Der Höhepunkt der Führung war der dort vorhandene Bambuswald, in den sich alle Schülerinnen und Schüler begaben, um dort den „momento mágico“, den magischen Moment, zu erleben: Absolute Stille, die hier und da von Vogelstimmen unterbrochen wurde. Alle waren begeistert! Die Ruhe stand im Kontrast zur Lebhaftigkeit der Hauptstadt Buenos Aires, die wir Tage zuvor erleben durften.
Ein weiterer naturnaher Höhepunkt (der vielen besonderen Momente dieser Reise) war der Ausflug ins Tigre Delta. Hier ging es nun um Biodiversität, die in Kontrast zu dem uns bekannte Wattenmeer steht. Vor der Paddeltour durch das Tigre Delta, um die Natur aus erster Hand zu erleben, hörten wir einen Vortrag zum Aufbau des Deltas, welches ein im stetigen Wandel befindliches Ökosystem und nur dünn besiedelt ist. Der Tigre beheimatet eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten und ist ein gutes Beispiel für eine zu schützende Biosphäre. Bevor sich dann alle Schülerinnen und Schüler in die Fluten stürzten, gab es Trockenübungen an Land, die für viele Lacher sorgten. Dann ging es endlich ins Wasser und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion stellten sich als gute Paddler heraus. Wir folgten dem Hauptarm des Flusses, paddelten vorbei an schönen Wochenendhäusern mit Steg, an Touristenbooten, an Lebensmittelbooten, die ihre Waren direkt aus dem Boot verkauften und bogen dann in einem Nebenarm ein, um die Natur des Deltas auf uns wirken zu lassen. Während wir Deutschen den Anweisungen des Guides „!Todos ein fila india! / Alle hintereinander paddeln!“ Folge leisteten, versuchten uns die argentinischen Austauschpartner in ihren Kayaks zu überholen. Aber wir hielten uns tapfer und es gelang ihnen nicht immer, an uns vorbeizukommen. Besonders schön wurde es, als wir Gesellschaft von einem Hund bekamen, der uns auf unserer Paddeltour ein Stück begleitete.
Während einer 1,5 stündigen Kayaktour konnten wir uns ein Bild von der üppigen Flora (vor allem subtropischen Pflanzen) des Tigre-Delta machen. Gleichzeitig erfuhren wir viel über das Leben im Delta, das sich deutlich vom Stadtleben unterscheidet: Wasserwege sind die Straßen des Deltas, Boote dienen dem Transport von Waren und Menschen. Das Leben im Delta ist einfacher und naturnaher, da die Inseln nicht erschlossen sind (kein fließendes Wasser, kein Strom, etc.) Dieser besondere Reiz des Einfachen hat dazu geführt, dass sich das Tigre-Delta zum Naherholungsgebiet der Metropole Buenos Aires entwickelt hat, wodurch das Delta in seiner Biodiversität leidet und folglich des besonderen Schutzes Bedarf.
Am Nachmittag ging es zurück nach Hurlingham. Auf dem Rückweg nach Hurlingham fiel uns der am Straßenrand verteilte Müll auf. Dieser Umstand regte eine Diskussion zur Umweltverschmutzung an und wir kamen zu dem Ergebnis, dass auch in Argentinien das Vermeiden von Plastikmüll sowie die damit verbundene Umweltverschmutzung stärker in den Fokus gerückt werden sollte.
Den Mittwoch verbrachten wir in der Schule in Hurlingham, doch statt am regulärem Unterricht teilzunehmen, waren unsere Schülerinnen und Schüler Interviewpartner für die Schüler der Grundschulklassen. Wir besuchten verschiedene Klassen der primaria (Grundschule) und wurden dort von Grundschülerinnen und -schülern sehnsüchtig erwartet. Die Grundschüler hatten Fragen vorbereitet, die sie uns in Kleingruppen stellten. Für die Kinder der primaria war dies die erste Gelegenheit in ihrem Leben, mit „echten“ Deutschen zu sprechen. Folglich waren sie begeistert und hatten viele Fragen gestellt. Für uns war es ebenfalls ein besonderes Erlebnis und wir beantworteten alle Fragen geduldig und mit einem Lächeln auf den Lippen.
Am späteren Vormittag trafen sich alle Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer zur Evaluation der gemeinsamen Projektetage und stellten fest, dass die Arbeit an den Themen „Sexismus“, „Diskriminierung“ und „Biodiversität“ ein Gewinn für alle darstellt und zum weiteren Handeln anregt. Aber auch die privaten Verabredungen nach Schulschluss und die Wochenenden in den Familien haben zum Kennenlernen der Kultur des Austauschpartners / der Austauschpartnerin beigetragen und den Horizont aller erweitert. Kurz gesagt: Es war einmalig!
Am Donnerstag, dem 23.03.23, war der Tag unserer Abreise. Wir packten unsere Koffer und trafen uns später am Flughafen Ezeiza, um den Rückflug nach Deutschland anzutreten. Das Band zwischen den Austauschpartnerinnen und -partnern war in den knapp zwei Wochen Aufenthalt so stark geworden, dass der Abschied schwerfiel. Es gab endlose Umarmungen (besonders von den Gasteltern), es flossen Tränen und letzte Gruppenfotos wurden gemacht. Dann ging es Richtung Gate.
Uns bleibt als kleiner Trost, dass wir unsere Austauschpartnerinnen und -partner sowie ihre Lehrkräfte bereits Anfang Mai wiedersehen, um ihnen Ostfriesland zu zeigen und mit ihnen weitere Projekte an der KGS und in der Umgebung zu realisieren. Wir freuen uns sehr auf die gemeinsame Zeit und zählen die Tage, bis es endlich soweit ist.